ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DER ENIGMA

Im Jahre 1919, wenige Monate nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, meldet der aus Delft stammende Holländer Hugo Alexander Koch ein Patent für die Konstruktion einer "Geheimschriftmaschine" (Patent Nr. 10700) an. Seine Maschine erweist sich leider als kaum funktionstüchtig. Der Ingenieur Dr. Arthur Scherbius aus Berlin kauft 1923 Koch das Patent ab und entwickelt im gleichen Jahr daraus seine erste recht brauchbare Schlüsselmaschine, die er sinnvoller Weise "Enigma" (griechisch: Rätsel) nennt.

Am 9. Februar 1926 erwirbt die Reichsmarine eine kleinere Version der Enigma C für den hochrangigen Funkverkehr ein, die bis Oktober 1934 im Einsatz bleibt. Am 15. Juli 1928 führen Reichsheer und Luftwaffe eine verbesserte Version, die Enigma G, ein. Sie wird 1930 abgelöst durch die Enigma I. Sie soll noch sicherer sein. Zusätzlich zu den drei Schlüsselwalzen wird noch ein Feld mit 26 Doppelsteckkontakten eingebaut, die durch kleine Kabel mit Stöpseln paarweise verbunden werden können. Dies gestattet eine zusätzliche Überschlüsselung des über die Walzen bereits verschlüsselten Textes. Am 27. Juni 1935 wird die verbesserte Enigma I als Wehrmachtsschlüsselmaschine bestimmt. Über sie läuft der geheime Nachrichtenverkehr zwischen Heer, Marine, Luftwaffe und anderen Bereichen. Die Wehrmachtsschlüsselmaschine verfügt bereits über fünf austauschbare Walzen (3 in der Maschine, 2 weitere in einem gesonderten Holzkästchen).

Skizze Entwicklung der Enigma
(c) Jürgen Rohwer

Im großen und ganzen gelingt des der alliierten Funkaufklärung bereits in den ersten Kriegsjahren, den Funkverkehr der deutschen Luftwaffe und den Funkverkehr der italienischen Kriegsmarine sowie des Marinekommandos Italien zu entschlüsseln und mitzuhören. Diese Erfolge sind bis zur Freigabe der alliierten Dokumente im Jahr 1974 nie aufgedeckt worden. Sie blieben bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich "ultra secret". Im 2. Halbjahr 1941 mehrten sich allerdings Anzeichen, dass der Funkschlüssel der Kriegsmarine nicht mehr gesichert war. Daher wurde für weite Schlüsselbereiche der Marine eine weiterentwickelte, mit vier Walzen ausgestattete, Enigma eingeführt. Sie wird auch als "Funkschlüssel M" bezeichnet. Außerdem verfügte die Marine über eigene Walzen, die als "Griechenwalzen" bezeichnet wurden.

Die Einführung des Funkschlüssels M stürzte die alliierte Funkaufklärung ("Bletchley Park") in eine schwere Krise. Erst im April 1943 bekamen die Alliierten den Marine-Funkverkehr wieder so weit in den Griff, dass man von einer geregelten Funkaufklärung sprechen konnte. Da war aber bereits der Punkt überschritten, an dem die Amerikaner mit aller Macht darauf drängten, die Kontrolle des deutschen Marinefunkverkehrs selbst zu übernehmen.

Mit der Enigma wurde lediglich der drahtlose Funkverkehr verschlüsselt. Daher war während des Krieges auch nur ein Bruchteil aller Nachrichten der gegenerischen Funkaufklärung zugänglich. In Kenntnis der bestehenden Gefahren des Funkverkehrs gingen die Nachrichten so weit wie möglich über Fernschreiber und Telefon.

Funkaufklärung im 2. Weltkrieg (Frames)
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